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Was mich heute wirklich interessiert

Was mich heute wirklich interessiert

Fast mein ganzes Leben lang habe ich Menschen studiert, wie sie leben, wie sie gehen und wie sie lachen. Wo sind die Grenzen zwischen uns, wo höre ich auf und wo beginnt der, die oder das Andere? Mein Leben, mein Überleben scheint davon abzuhängen.
Den natürlichen Fluss zwischen atmenden Wesen in sowohl Trennendes als auch
gleichzeitig Verbindendes hat mir nie jemand zeigen können.

Es wäre vermessen zu behaupten, ich hätte eine Lösung gefunden. Vermutlich gibt es auch gar keine. Wenn alles im Fluss ist, gibt es keine beständigen Grenzen.

Dieses Hineinspüren und immer wieder und wieder spüren und spüren hat mich in den vielen Jahren erschöpft und müde gemacht.

Was ich jedoch erlebt und erkannt habe ist, dass fast alle Menschen immer mehr um sich selbst kreisen und keine Ressourcen mehr haben, neugierig auf das oder den Andersartige(n) zu schauen.
Das ist für mich eine immer wiederkehrende Kränkung.
Ich kann mich nicht damit abfinden, dass meine empathische Neugier nicht in ähnlichem Maße erwidert wird.
Täusche ich mich so sehr in dem, was ich bereit bin liebevoll zu geben?
Bin ich so verblendet, dass ich meine wahre Bedeutungslosigkeit nicht akzeptieren will? Oder zeige ich zu wenig von meinen Schätzen, dass andere achtlos daran vorübergehen müssen?

Ich weiß es nicht und vermutlich werde ich nie eine Antwort darauf finden.

In den vier Tagen und Nächten meiner Visionssuche hoch oben, 900 Meter über dem Meer, auf der blutroten Insel El Hierro fand ich eine Linderung meiner ewigen Traurigkeit.

Ich bin Zeugin geworden:
Jeden Tag wandert die Sonne über das Meer, ob wir es nun sehen können oder nicht, jeden Tag versinkt sie am Horizont. Ewig, so scheint mir, das gleiche Lied.

Nur Stille in mir, es gibt nichts zu tun. Ein Adler zieht seine hohen Kreise, ein Rabenpärchen turtelt und gurrt zärtlich miteinander im Wipfel über mir, eine Hummel summt neugierig um meinen Kopf.Tagsüber wandern die Wolken in einem ewigen Zug und nachts fallen Sternschnuppen aus dem dunklen Himmel mit ungezählten, hell leuchtenden Sternen.

Ist es verwunderlich, dass ich mich danach sehne, in dieses Schauspiel einzutauchen auf ewig? Diese Sehnsucht nach dem Frieden überwältigt mich immer und immer wieder. Dann scheint mir mein Sterben der einzige Ausweg zu sein, um diese schrecklich laute und konkurrierende Welt hinter mir zu lassen.
Ich will allein sein mit mir, ohne Menschen, ohne die Verletzungen, die sie mir zufügen. Ich weiß, sie wollen das nicht, die meisten sind einfach nur nicht achtsam genug.
Und – bin ich nicht wie sie?


Und gleichzeitig weiß ich auch, dass wir nicht ohne einander leben können.

Sie verführt mich immer wieder, diese stille, ewige Todessehnsucht.

Und doch ist das nur die eine Seite der Mondin, dieser Fluchtwunsch, dieses
Fortsehnen.
Die andere Seite ist das Sein in dieser großartigen Natur, mich als wertvolles Steinchen in diesem gewaltigen Geschehen wieder zu finden und zu wissen, dass die Welt ohne mich „Nichtsnutz“ eine andere wäre.

Und nun haben mich meine Ahninnen, oder nennen wir es: „etwas Größeres als ich“ zu dem Haus auf dem Königsberg geführt.

Ich ahne, das ich dort für eine Weile einen Platz gefunden habe, an dem ich diesen Frieden leben kann, wieder hoch auf dem Berg, wieder das unendliche Tal unter und die Sterne über mir…

Ich bete um Kraft und Mut, mir den Raum und die Zeit zu nehmen und um das Geschenk, Raum und Zeit zu haben, dieses letzte Kapitel meines Lebens erleben und studieren zu dürfen.