kunstvollaltern und lebenskunstvollsterben

unterstützt Höhen und Tiefen kunstvollen Alterns mit Fantasie, Fotografie, Poesie, Clownerie

Der Bischof

Der Bischof


Eine tiefe existentielle Krise ließ mich unter anderem auch in Kirchen Halt suchen. Viele Gespräche mit mehr oder weniger zugewandten Christen brachten mir Belehrungen, Bevormundungen aber auch Anteilnahme und geduldiges Zuhören innerhalb einer mir zur Verfügung gestellten Zeit. Manchmal hatte ich das Gefühl, sie gaben sich redlich Mühe und sehnten sichdoch auch nach der gleichen Zuwendung, die sie verschenkten. Wie kann das sein ?

Folgende Geschichte ließ mich einen Zipfel der Welt erhaschen und vielleicht sogar verstehen:

Im Sommer wurde ich zu einem besonderen Gottesdienst eingeladen. Erwachsene Menschen, die zur Kirche gefunden oder zurückgefunden hatten, wurden getauft und erhielten das Abendmahl.
Zu diesem frohen Ereignis erschien natürlich auch der Bischof. Andächtig und bewegt erzählten einige Gläubige, wie sie zur Kirche und dort ihre Heimat gefunden hatten. Mein Herz schmolz und flehte : ich auch.....ich auch......

Der Feierlichkeit angemessen schritt nun der Bischof in vollem Ornat segnend durch den Mittelgang. Ich schaute ihm offen entgegen und blieb an seinem Gesicht hängen. Ich erschrak.
Ich weiß, alles Folgende ist meine eigene Projektion und doch....
Ein teigiges Gesicht ohne Regung, verschlossen, kein nachsichtiges Hirtengesicht, keine Barmherzigkeit, schwer tragend an der reichbestickten Robe und der Würde des Amtes schleppte sich ohne Blick an den andächtigen Menschen vorbei.

Ein irres Lachen stieg in mir auf, ich mußte mich abwenden, wußte nicht wohin mit der Wut, die mich plötzlich überfiel.
Nach Fassung ringend starrte ich nun auf den Rücken des Mannes und blieb an seinen Beinen hängen. Weißbestrumpfte dünne Strichstöckchen, mühsam verankert in schwarzgelackten Elbkähnen entlockten mir ein höhnisches Grinsen. Das war kein im Leben stehender Mann, der mir helfen konnte, den rechten Weg zu finden, kompetent mein Leben zu leben, keiner, der lebt, einer, der gestorben ist, eine Hülle nur.

Da riß etwas in mir.

Mit einem Mal sah ich die dünnen, stolzen Beinchen anders. Unter der edlen Bestrumpfung schrien sie mich an, die Ferse, so verletzlich, die Wade ohne Leben, nie gestreichelt, nie geküßt. So verletzlich und so unbeugsam.
Ich bin gegangen, wie soll ein Nichtschwimmer eine Ertrinkende das Schwimmen lehren ?